Förderverein zur Erhaltung von Lokomotiven der Maschinenfabrik Esslingen e.V.

Juni 2015

Das automatische Esslinger Vorwärmerventil gegen Kaltspeisen

Kein Kessel liebt es, wenn einem kaltes Wasser in den heißen Bauch geleert wird

In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg wurde die Kesselspeisung von Dampflokomotiven mal wieder ordentlich umgekrempelt. Nach dem Übergang von den Fahrpumpen der ersten Dampflokomotiven im 18. Jahrhundert, zum Teil mit dem Kirchwegerschen Abdampftender (zur Vorwärmung), waren dann bis zum ersten Weltkrieg in der Regel 2 Dampfstrahlpumpen an jedem Kessel angebaut. Sie verbrauchten ungefähr 11 kg Frischdampf aus dem Kessel um damit 100 Liter Wasser in den Kessel zu speisen. Dabei wurde das Speisewasser auch auf ca 60..70°C erwärmt, je nach Temperatur im Tender. Der Vorteil der einfachen und leichten Injektoren-Anlage wurde mit einem hohen Frischdampfverbrauch (also Kohlenverbrauch) und nur mittelmäßiger Erwärmung vor dem Eintritt in den Kessel bezahlt.

Verbesserung bot nun die von einer extra Dampfmaschine angetriebene Kolbenspeisepumpe, die je nach Antriebsart ihrer Dampfmaschine die 100 Liter Wasser mit 1,8kg (Verbund-Speisepumpe) bis 2,5kg (einfach wirkende Speisepumpe) Frischdampf förderte. Die Ersparnis an Kohle betrug sagenhafte 77..84%, ein enormer Schritt.

Die Sache hatte nur für den Kessel den "mörderischen" Nachteil, dass das Wasser nun mit Tendertemperatur im Kessel ankam. Schon mal kalt geduscht ?

Also musste nach der Pumpe zwingend ein Vorwärmer in das System rein, damit man den Vorteil der effizienteren Speisewasserförderung auch dem Kessel zumuten kann. Um die Effizienz dabei nicht wieder kaputt zu machen verwendete man einen Abdampf-Vorwärmer, der das Wasser nicht mit Frischdampf sondern mit einem Teil des (kostenlosen) Abdampfes der Dampfmaschine erwärmt. Die Dampftemperatur war dabei nicht das Entscheidende. Die Energie für die Vorwärmung des Wassers stammt hauptsächlich aus der Kondensationswärme des Abdampfes, der im Vorwärmer niedergeschlagen wird.

Bis nach dem 2. Weltkrieg verwendete man Oberflächenvorwärmer, bei denen in Röhren das unter Druck stehende Speisewasser von der Pumpe zum Kessel läuft. In einem Raum um diese Röhren herum schlägt sich Abdampf nieder und gibt dabei seine Energie über die Wandung der Röhren an das Speisewasser ab. Derartige Vorwärmer hatten nur wenig Wasserinhalt, so dass die Erwärmung immer zeitgleich mit dem Speisen erfolgen musste.

Hatte der Heizer nun seine Speisepumpe auf den mittleren Dampfverbrauch des Kessels eingeregelt war dies ein sehr effizientes und kesselschonendes System, denn das Wasser wurde kostenlos (bei sauberem Vorwärmer) bis nahe an 100°C erwärmt.

Das Problem kam schlagartig, wenn der Lokführer den Regler schloss und somit der Abdampf, also der "Heizdampf" für den Vorwärmer, versiegte. Oft musste der Heizer diese Momente geringeren Zuges im Kessel nutzen, um nachzufeuern ohne dabei enorm viel Kaltluft in den Kessel eindringen zu lassen. Zeitgleich auch noch die Speisepumpe abzudrehen (und nachher wieder aufzudrehen) gab ziemlich Hektik "auf der linken Seite", besonders wenn man an wechselnde Steigungsverhältnisse und kurze Halteabstände denkt, wie sie nun mal in Württemberg "nicht unüblich" sind. Drehte er die Pumpe nicht ab, begann binnen kurzem wieder das kesselmordende "Kaltspeisen", wie wenn kein Vorwärmer verbaut wäre.

Und genau da setzte die Erfindung der Maschinenfabrik Esslingen an.

Ein einfach gehaltenes Ventil mit 4 Anschlüssen:

  • vom Dampfverteiler kommt Frischdampf für den Speisepumpenantrieb
  • vom Ventil geht der Frischdampf zum Speisepumpenantrieb
  • vom Schieberkasten kommt der an der Dampfmaschine anliegende Druck
  • Eine Leitung geht zum Vorwärmer in den Raum wo normalerweise der Maschinenabdampf kondensiert

Wie wirkt das Ventil nun:

  • ist die Speisepumpe aus kommt kein Frischdampf vom Verteiler und nichts passiert.
  • ist die Speisepumpe angestellt, überwacht das Ventil, ob vom Schieberkasten Druck kommt, die Lok also unter Dampf fährt und somit auch Abdampf im Vorwärmer das Kesselspeisewasser erwärmen kann.
  • Kommt nun vom Schieberkasten kein Druck mehr (Regler ist zu) bewegt sich der kleine Schieber im Ventil und lässt einen Teil des ursprünglich zur Speisepumpe gehenden Dampfes als Ersatz für den Abdampf in den Vorwärmer. Trotz geschlossenem Regler wird weiterhin warmes Speisewasser gefördert.

Natürlich ist in dem Moment die Speisewassererwärmung wieder auf Frischdampf, also auf "teuer" umgestellt. Noch teurer sind aber die Kesselschäden, die durch die Schwankungen beim Speisewasser auftreten würden. Man stelle sich nur vor, man steht unter der warmen Dusche und irgendein Witzbold dreht unten im Heizraum immer mal wieder die Warmwasserleitung ab...

Das Ventil funktionierte absolut selbststätig, der Heizer bekam nichts davon mit und war für andere Arbeiten komplett frei. Natürlich sollte er nach wie vor im Stillstand oder bei langfristig geschlossenem Regler die Kolbenspeisepumpe und somit den Heizdampfverbrauch drosseln oder mit dem nach wie vor als 2. Speiseanlage verbauten Injektor speisen. Aber er musste es nicht mehr sofort tun um Kesselschäden zu verhindern - eine enorme Entlastung.

Die Abbildung des Ventiles ist dem Buch "Die Baureihe 59.0 - Württembergs Güterzuggigant" von Rudolf Röder (EK-Verlag, Freiburg) entnommen.

Georg Kurtz, Baurath, FVME